Heute auf der Sonntagsvisite Station 3 Zimmer 1 Frau N, privat. Pfleger Martin warnt mich schon vorher: „Sie ist schrecklich anstrengend, meckert nur. Kaffee zu kalt, Frühstück zu spät.“ Na toll, das steigert meine Laune nicht wirklich. Ich habe schlecht geschlafen und werde, glaube ich, krank.
Ich gehe in Zimmer 1.
Frau N. liegt auf dem Bett, Nackenkissen, Kopfhörer auf, guckt Fernsehen.
Ich stelle mich direkt ans Fußende in ihr Blickfeld. Ich bin nicht zu übersehen.Wirklich nicht.
Frau N. sieht mich, guckt um mich herum, weiter auf den Fernseher. Die Kopfhörer nimmt sie nicht ab.
Ich frage laut, schreie fast: „Guten Morgen Frau N. Wie geht es Ihnen?“ Noch bin ich höflich.
Es kommt keine Antwort. Frau N. macht keine Anstalten die Kopfhörer abzunehmen. Sie guckt ungerührt weiter Fernsehen. Ist ja wichtig. Sonntagsmesse.
Ich schäume innerlich. Sage zu Martin achselzuckend: “ Gut, wer nicht behandelt werden will.“ Ich drehe mich um und gehe ins nächste Zimmer, zu Herrn P., der im Sterben liegt mit Nierenversagen.
Im Herausgehen erklingt die schneidende Stimme von Frau N. in meinem Kittelrücken: „Ich habe Schmerzen und es hilft alles nichts.“
Ich drehe mich innerlich seufzend um. Ich betrachte Frau N. näher. Wenn sie läuft, knickt das linke Bein ab und zu ein. Z.n. Hüft TEP. Vorher war sie fit, sie lebt alleine und hat Angst. Die Kinder leben in Münster.
Ich lasse sie laufen, gucke mir das Gangbild an, verspreche ihr eine Orthese für das Knie und steigere die Schmerzmedikamente.
Als ich rausgehe, bedankt sich Frau N. Sie wünscht mir und Martin einen schönen dritten Advent. Und macht den Fernseher aus.