Herr S.

Herr S. ist tot. Mein Herr S. ist gestern gestorben. Ich habe ihn gemocht. Wenn ich Patienten mag, sage ich immer „mein“.

Er war ein kleiner, zierlicher Mann, 82 Jahre alt. Serbe.  Essen ohne Schweinefleisch. Er hat immer eine dunkle Hose mit Anzugjacke getragen, dazu graue Hosenträger und eine schwarze Baskenmütze. Auch im Krankenhaus.

Ich habe ihn nie im Schlafanzug gesehen. Nur in seinen letzten Tagen. Herr S. hatte eine schwere Lungenerkrankung, viel geraucht und im Bergbau gearbeitet. Keine gute Kombination. Herr S. war höflich,  hat immer freundlich gegrüßt: Guten Morgen Frau Doktor. Wenn er draußen zum Rauchen stand. In seinem dünnen Hemd. In seinen letzten Tagen war er nicht mehr nett, er hat uns nicht mehr erkannt. Er war gereizt, aggressiv, er wollte nicht sterben. Er  hat sich die Braunülen aus den dünnen Armen gezogen, hat um sich geschlagen. Jetzt ist er tot. Trotz wie es in den Arztbriefen heißt „intensiver Bemühungen und kalkulierter Antibiose“. Sein schmaler toter Körper hebt sich kaum unter dem dünnen Bettlaken ab. Die laut weinende Tochter zerknüllt die schwarze Baskenmütze von Herrn S., meinem Herr S.

Ein Gedanke zu „Herr S.“

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