Ping

Ich versuche, wenn es irgend geht, Geschäfte und die Gastronomie vor Ort zu unterstützen. Gelingt nicht immer.

Beispiel: „Bei Theo, das musische Gasthaus.“

Von außen sieht es  nett und normal aus, gut bürgerlich. Was auch immer das heißt.

Wir können hinlaufen. Ein nicht verachtenswerter Vorteil.

Wir öffnen die schwere braune Holztür. Drinnen ist es dunkel. Sehr dunkel. Nur die Theke ist erleuchtet. Davor hängen stehen drei mittelaltrige Gäste, die uns mißtrauisch anschauen. Die Gespräche verstummen sofort. (Als würde man als Frau alleine in ein türkisches Teehaus gehen. So ähnlich. Aber das ist nicht politisch korrekt).

Wir fragen vorsichtig: „Ist schon geöffnet? Wir möchten essen.“

Der Wirt schlurft mißmutig hinter dem Tresen raus und knipst das Licht für die Tische an.  Herzlichen Dank.

Die Tische sind orange eingedeckt. Die Karte ist mindestens vierzigseitig, kaum überblickbar. Diverse Schnitzelvariationen.  Und Gans. Für 19 Euro. David bestellt Gans. Ich riskiere nichts.Nehme ein Teufelsschnitzel. Kann man nicht viel falsch machen. Wir sind weiter die Einzigsten, die essen.

Die Gans kommt erstaunlich schnell auf den Tisch. Ich meine aus der Küche  das durchdringende Ping einer Mikrowelle gehört zu haben.

Die Getränke werden von einer etwas ruppigen gepiercten schwarzhaarigen Kellnerin aufgenommen.

David bestellt Köpi.

Ich entdecke hinten in der Karte versteckt Cocktails. Dahinter steht: Bitte sprechen Sie uns an!

Das mache ich doch glatt. Die Kellnerin guckt  verzweifelt und gibt tuschelnd meine Bestellung an den Wirt weiter. Dem fällt  fast die Oberkieferprothese aus dem unrasiertem Gesicht.

Caipi? Kennt er nicht. Mojito? Nie gehört.

Aber er will mir was mixen. Ergebnis: Altbier mit Kirschlikör und blauem kurzem Strohhalm.Unglaublich, so schnell war ich noch nie betrunken. Ich weiche auf einen Sekt aus. Der knarzige Wirt rollt mit den Augen und verschwindet leise laut schimpfend im Keller. Er erscheint mit einem handwarmen verstaubtem Piccolo „Comtesschen“. Verstohlen gucke ich nach dem Verfallsdatum.

Als er zurück an den Tresen wankt, sagt er laut zu übrigen Gästen:„Die will immer was Besonderes!!“

Nein, Theo keine Angst! Die will jetzt nichts mehr. Jedenfalls nicht in Deinem musischen Gasthaus.

Im Hintergrund ertönt wieder das Ping der Mikrowelle.

3 Kommentare zu „Ping“

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