Unsichtbar

Ab einem bestimmten Alter, sagen wir mal 40 Jahre, wird man als Frau für die Welt unsichtbar. Glaubtesmir.

Wir sitzen in einer Bar in einem Hotel. Um uns herum viele geschwätzige Stammgäste mit kölschem Dialekt im besten Renteralter. Happy hour.

Als wir die Bar betreten haben, waren wir die zweiten.  Der Barkeeper bediente zuerst die Familie, die vor uns da war. Danach wurde der kölsche Klüngel bedient, der nach uns kam.

Wir winken, wir rufen, es nützt nichts. Der Barkeeper und die Kellnerin sehen uns nicht. Wir sind unsichtbar.Ich überlege, mit Erdnüssen zu werfen, Rettungsraketen abzuschießen.  Es hilft nichts.

Ich gehe zur Theke. Vor mir steht der Barkeeper, die Kellnerin und ein Kellner. Keiner reagiert.

Ich sage laut: „Bin ich eigentlich unsichtbar?“

Endlich rucken die Köpfe nach oben. Höflich wird mir versichert, ich sei es nicht. Ich bin mir da nicht so sicher.

Am nächsten Tag:

Ich stehe an der Spa Anmeldung. Vor mir eine dreiköpfige Truppe, die langatmig überlegt, was sie jetzt nun buchen soll. Allegro oder Scherzo? Oder doch Tuina?

Aus den Augenwinkel sehe ich schon, wie eine schmerbäuchige  Kundin im gelben Flauschbademantel mit einem Zettel in der Hand zielstrebig die Anmeldung ansteuert.

Endlich ist die Truppe fertig.

Die Hand des gelben Bademantel schießt sofort mit dem Zettel nach vorne. So schnell kann ich gar nicht gucken.

Die Dame an der Anmeldung guckt mich nur hilflos an. Ich spüre wie mir die Magensäure zu den Ohren rausläuft. Am Nacken entlang rinnt.

Laut und höflich sage ich: „Schön, dass ich vor Ihnen dran bin.“

Der gelbe Bademantel giftet sofort zurück: „Dat ist ja wie bei Aldi hier.“

Ich erinnere sie ruhig und gelassen daran, dass sie nicht alleine auf der Welt ist, es sich nicht alles um sie dreht. Und ja, es ist wie bei Aldi hier.

Der gelbe Bademantel zischt noch ein paar unfeine Worte, gibt sich aber dann geschlagen.

Und weiter geht es!

Auch beim Abendessen scheinen wir einen Tarnumhang zu tragen.

Ich stehe vor dem Fisch. Es gibt Red Snapper und sonst noch einen Fisch. Der Fisch wird für jeden separat gebraten.

Nach mir kommt ein Paar. Beide ausgedörrte humorlose Sportler (ja, ich liebe meine Vorurteile).

Das Braten dauert ein paar Minuten. Ich bleibe solange vor dem Koch stehen. Das Paar möchte nicht warten und dreht noch eine Runde durchs Büffet.

Endlich ist der Fisch fertig.

Der Koch guckt hoch, sein Blick irrt suchend durch die Gegend, an mir vorbei.  Ich stehe direkt vor ihm. Er winkt dem Paar zu.  Der Fisch ist fertig! Dasglaubichdochjetztnicht! Ich kneife mich fest in den Arm, das spüre ich. Ich fühle, also bin ich. Scheine doch zu existieren. Irgendwie.

Wahrscheinlich bin ich in einem Paralleluniversum. Ü 40. Gefangen. Bis in alle Zeiten. 😉

14 Kommentare zu „Unsichtbar“

  1. Ich bin wieder einmal begeistert.
    In deinem Blog werden sogar die „Unsichtbaren“ nicht übersehen. Ich wollte es nur einmal testen.
    Aber die Unsichtbaren sind nicht alters- oder geschlechtsabhängig.

    Wir sitzen im Lokal zu zweit am Tisch und wollen etwas bestellen. Der Blick der Kellnerin bewegt sich auf uns zu. Kurz bevor sie uns erblicken kann, senkt sie das Gesicht plötzlich gen Boden. Nachdem wir aus ihrem Gesichtsfeld entschwunden sind, taucht der Blick auf der anderen Seite von uns wieder auf und sucht den restlichen Raum nach Nichtstun ab.
    Wenn wir das bei der nächsten Polizeikontrolle auch schaffen und kein Knöllchen kriegen, sind wir zufrieden.

    1. „… taucht der Blick auf der anderen Seite von uns wieder auf und sucht den restlichen Raum nach Nichtstun ab…“
      Ich komme aus dem Lachen nicht mehr raus. Du solltest bloggen. Klasse!

  2. Ja, … nur sprechen leider zwei Tatsachen dagegen. Ich habe manchmal einen sehr eigenen Humor und ich müsste mich mit solchen Kommentatoren wie mir rumschlagen. Da finde ich es bequemer deinen Blog voll zu schreiben. 🙂 🙂

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