Martinbjörnundich

Bein Packen der Umzugskartons ist mir ein verblasstes Polaroid in die Hände gefallen. Darauf sind Martin, Björn und ich zu sehen. Wir sitzen auf einer Holzbank vor dem Colosseum in Essen. Damals war Tag der offenen Tür bei „Elisabeth – das  Musical“. Martin mit Stehhaaren, breit grinsend und Jeansjacke im Vordergrund, dahinter Björn mit wenig Haaren und weißer Jacke, und dann ich mit schwarzem T-Shirt und komischer Frisur.

Wir waren sehr enge Freunde. Heute sind wir nichts mehr.

Martin habe ich auf der Arbeit kennengelernt, Björn war sein Freund. Tolle Parties mit beiden, Silvester, Geburtstage, Halloween, Weihnachtsmarkt in Bochum, Martin, der Dekofreak, Björn, der Autofreak, Björns kleines rotes Auto, Martins gelbgrüner Almera mit der grossen E.T. Plüschfigur drin, die auf einem Eimer hinten saß und sorgfältig angeschnallt war,  Martin im Luise Koschinsky Kostüm mit riesigem Kunstbusen und blonder Perücke zu Karneval, Martins Vater, der Cola mitgebracht hatte, die komisch schmeckte (kein Wunder, war Rum drin), Martin, der mich zu meinem ersten und auch letztem Piercing nach Bochum begleitet hat.  Martin, der mit mir zur Gemüsescheune gefahren ist und auf die Cranger Kirmes, wo mir schlecht geworden ist vom Karussell fahren. Martin und ich dreimal auf einem Anastacia Konzert, zweimal in der ersten Reihe. Nach dem Konzert sind wir nicht mehr aus dem Parkhaus gekommen und sind die Auffahrt einfach runtergefahren. Martinbjörnundich zusammen auf der Couch und „Scream“ geguckt und mich fürchterlich erschreckt, als Martin mir plötzlich in die Seite gepiekt hat.

Dann  die Wohnung in der Lstrasse, dann später in der Stre.strasse, Frühstücken in Bochum im Orlando, Frühstücken bei mir in der Antropstrasse, wo ich extra für Martin Käse gekauft habe (und Martin hasste Käse, hatte ich vergessen).

Dann die letzte Wohnung der beiden in der Strasse, deren Namen ich vergessen habe. Die Wohnung war die letzte Wohnung der beiden und roch nach Verderben. Als wäre jemand darin gestorben und vergessen worden. Martin damals mit langen Haaren und extrem gestresst. Dann die Trennung der beiden und auch von uns drei.

Björn habe ich noch einmal gesehen, er hatte Kuchenteilchen mitgebracht, trug einen tollen Mantel  und schien glücklich zu sein.

Martin habe ich zuletzt in Berlin gesehen, er mit seinem neuen Partner, ich ohne Partner, aber mit seinem Expartner, wir haben beide verfroren in der Eiseskälte unter einem Heizpilz gestanden, viel geredet ohne das es was genützt hat und sind nach einer dreiviertel Stunde auseinandergegangen. Wir haben uns beide nicht mehr verstanden und nicht mehr gekannt. Im Hotel habe ich dann ein Handyfoto nachts um vier Uhr von mir gemacht, da bin ich blass und traurig.

Aus Freunden werden Erinnerungen und verblasste Polaroids.

16 Kommentare zu „Martinbjörnundich“

  1. Hallo Labaera. Hoffentlich bist du nicht so traurig wie beim Ende dieses Storys. Du bist ein wunderschoener Mensch. Jeder Tag ist ein neues Blatt. 🙂

    1. Ich bin auch traurig und so mehr seit ich diesen Bericht gelesen habe. Er berührt mich sehr. Ich gehe voll und ganz damit konform. Vielleicht ist das was verblasst manchmal schöner als das was kommt. Ich war gerne dein Freund, Kumpel, Freak.

  2. Ist das nicht auch Freundschaft? Irgendwie?Ich denke schon, das es nicht das ist was gesagt oder getan wurde oder eben auch nicht, sondern doch viel eher das, was uns darüber hinaus noch verbindet.Was immer s auch sein mag. Es ist da:-)

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