Heute stand die erste Tochter schon um acht auf der Matte. Mal eben sprechen. In Zimmer 5 gibt es zwei struppige Töchter, die rund um die Uhr bei Mutti sitzen. Da ist nichts gegen einzuwenden. Aber rund um die Uhr einen Arzt sprechen zu wollen. Waren die Therapeuten heute schon da? Wenn ja, was haben die gemacht? Was ist das für eine neue weiße Tablette? Mutti soll noch eben zum Frauen/HNO/Augenarzt. Wieso ist der Urin so dunkel? Wieso ist die Erde eine Scheibe? Ich frage mich immer, ob die nix zu tun haben. Keinen Haushalt? Mal zu Hause feucht durchwischen? Keinen Mann? Keine Hobbies? Keine Kinder? Keinen Job? Keine Bügelwäsche?
Da gibt es noch den Sohn von Frau S.: Frau S. hat Pflegestufe 3, wird jeden Tag dialysiert. Und soll hier zur „Reha“. Was bei der Pflegestufe nicht wirklich Sinn macht. Der Sohn hockt den ganzen Tag neben dem Bett. Und lässt die Pflege springen. Hier mal das Laken glatt ziehen, drehen, wenden, schütteln, der DK sieht so komisch aus, wieso ist das Pflaster feucht usw. usw. Letztes Mal hat er uns Fotos gezeigt, die er mit seinem Smartphone von Mutti gemacht hat. Die Beine seien so trocken. Ob wir das nicht sehen würden? Ihm reicht es hier nicht.
Gerade kommt Schwester Heike verschwitzt aus Zimmer 3. Darin liegt eine Privatpatientin. Heike war heute eine Stunde in diesem Zimmer. Zum Waschen. Die Patientin ist sehr bestimmend. Duschen wollte sie nicht, der Kreislauf… Erst das Gesicht, dann den linken Arm, den rechten Arm. Mit der Creme das Gesicht, mit der Salbe das rechte Bein, mit der Lotion den Rücken, aber auch nur den Rücken. Dafür das gelbe, dafür das rosa Handtuch, das blaue nur dafür. Und die Füße mit dem Balsam. Nein, nicht mit dem, mit dem anderen aus der Tube! Nach einer Stunde war Heike endlich fertig.
Da sagt die Patientin:“Ach, können Sie mir noch eben die Haare waschen?“
Der Sohn beschwert sich bei der Entlassung, dass die Schwestern die Jacke so knubbelig in den Koffer gepackt hätten. Und überhaupt, so würde er die Mutter nicht mit nach Hause nehmen. Sei ja noch gar nicht fit. In zwei Wochen haben zwei Sozialarbeiter und zwei Mitarbeiter vom Entlassungsmanagement mit ihm gesprochen. Es ist alles organisiert, Bett, Hilfsmittel, Pflegedienst für zu Hause. Pflegheim war ihm zu teuer. Kurz bevor der Transport kommt, entscheidet er sich wieder um. Sie müsse doch ins Heim. Es habe nie jemand mit ihm gesprochen. Es hat ihm nicht gereicht.
Aber uns reicht es.