Königin

So ein Freibad ist ein menschlicher Mikrokosmos.

Da gibt es die Frühschwimmer, die schon seit Jahrzehnten dort ihre Bahnen ziehen und sich alle untereinander kennen. Jeder hat „seine“ Bahn. Und wehe man kreuzt diese. Dann wird man geteert und gefedert oder noch schlimmer nie mehr gegrüßt.

Am schlimmsten ist es jedoch, wenn man mit der Königin des Schwimmbades (wahlweise zu ersetzen durch Nachbarschaft, Sportverein, Arbeit) aneinander gerät.
Die Königin im Schwimmbad ist zwischen 50 und 80 Jahre alt. Wahrscheinlich erst 40, aber sie ist so bruzzelbraunfaltig, das man sich sicher täuschen kann. Sie trägt einen schwarzen Monokini.An der Seite sieht man einen schlaffen braunen Bauch. Obwohl sie doch immer zum Zumba geht. Aber jeder wie er will. Sie weiß, wo es die besten Plätze gibt, belegt großzügig alle Holzbänke mit verwaschenen Fanta Handtüchern aus der 1994er Kollektion und geht dann eine rauchen. Einen kleinen silbernen Aschenbecher hat sie mitgebracht, auch so ein winziges Radio, aus dem unerbittlich WDR 2 80er Jahre Pop dudelt. Die Fingernägel, natürlich Gelirgendwasverlängert, schimmern gefährlich dunkel pink. Am Fußgelenk eine silberne Kette, passend zu den verhornten Fußsohlen.
Auf einen kurzen Wink der Königin springt ein betagter Versall herbei, rammt den Sonnenschirm in den verbrannten Rasen und spannt ihn auf. Zugegeben, ich werde ein bißchen neidisch. Ich liege auf einem kleinen roten Ikea Handtuch auf dem nassen Rasen. Die Sonne brät mich.Die Königin liegt auf einer zusammenfaltbaren Sonnenliege. Die Liege hat Räder.

Es trifft der Königinnentross ein. Mittelaltrig. Hauptthema: Arztbesuche und Krankheit. Bei der Königin ist natürlich alles am schlimmsten, alles sehrsehr selten.Der Arzt hat zu ihr gesagt: „Frau Königin, damit müssen sie zu einem Spezialisten. Ich kann ihnen da nicht mehr helfen.“ Warjaklar.  Ein entsetztes Seufzen geht durch den Tross.

Ich beiße in mein nasses Handtuch. Mir kommt trotzdem das Lachen aus der Nase raus. Ein strenger Blick der Königin streift mich. Ich bekomme Gänsehaut.

Und jetzt fällt mir kein guter furioser  Schluß ein. Ich glaube, ich habe mir ein Calippo Erdbeer geholt,  D. hat Kartoffelsalat gegessen und wir sind nach Hause gefahren. Soviel Hofstaat macht mich immer hungrig.

11 Kommentare zu „Königin“

  1. Wenn der armen Frau nicht mehr zu helfen war, hättest du ihr aber dein Mitleid für ihr baldiges Ableben mitteilen und ihr erklären können, welche positiven Auswirkungen sich durch dieses Ereignis für das Freibad und die anderen Mikrokosmopoliten ergeben würden.

  2. Herrlich geschrieben!!! Da mich keine 25 Pferde in ein öffentliches Schwimmbad ziehen könnten, genieße ich natürlich solche Geschichten. Normalerweise höre ich Derartiges von Frau Meyer, heute aber gerne auch von Ihnen/Dir! 😉

  3. Mit diesem wunderbaren Text rennst du bei mir offene Umkleidekabinentüren ein, bin ich doch zwei Mal in der Woche in der Münstertherme mit mehreren Königinnen gleichzeitig konfrontiert. Die sind zwar nicht so „schick“ wie deine Freibad-Königin, aber ebenso dominant. Als hätten sie mit Ihrer Zehnerkarte auch gleich exklusive Schwimmbadrechte erworben. Sie besetzen zu dritt vier Bahnen und schwimmen. Oder auch nicht, Man kann nicht mal dazwischen gehen. Manche verstehen unter „schwimmen“: Duschen, im Badeanzug an die Trennschnur zwischen Nichtschwimmer- und Schwimmer-Becken stehen, Helene Fischer und Angela Merkel durchhecheln und wieder nach Hause gehen. Als ich das mal vorischtig bemerkte, sagte eine der Königinnen: Hören Sie mal, das hier ist eine Therme! Und dann habe ich gedacht, wenn ich mal alt und alleine bin und mir keiner mehr zuhört, dann freue ich mich vielleicht auch, wenn es so eine Therme gibt. 🙂

    1. Sie schwimmen eben nicht und wenn dann auf dem Rücken im gynäkologischen Stil mit weit geöffneten Beinen….Sehr gruselig… Und Du hast wirklich die Königin angesprochen??? Sehr mutig 😉

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