Echt jetzt

Ärzte als Patienten. Soll ja nichts Schlimmeres geben. Abgesehen von Lehrern.

Wenn ich könnte, würde ich mich selbst operieren. Echt jetzt. Am ersten Tag im Krankenhaus muss ich eine diagnostische Rundreise starten, EKG, Röntgen, NLG/EMG, CT. Als ich vor dem EKG warte, höre ich auf dem Flur eine bekannte Frauenstimme. Kann sie nicht sofort zuordnen. Als ich um die Ecke biege, stoße ich auf die dunkelhaarige penetrante Pharmareferentin, die mich immer auf der Arbeit nervt. Zu spät. Sie hat mich entdeckt. „Was machen Sie denn hier??“  Es gelingt mir sie abzuschütteln. Vor dem Röntgen stöbere ich in meinen Laborwerten. Alles gut. Obwohl, wieso habe ich so hohe Leukos? CRP ist aber okay. Doch eine Diszitis? Na ja. Cholesterin super. Wozu brauchen Unfallchirurgen eigentlich Cholesterin? Total uninteressant. Echt jetzt. Mein EKG gucke ich durch: Sinustachykardie, kein Wunder. Der junge Assistenzarzt versucht schwitzend mir eine Viggo zu legen. Er desinfiziert extra lange. Ich habe nur zwei gute Venen.  Aber er schafft es.  Er hängt eine Infusion an, ich frage was das ist. Er wird rot und sagt leise: Perfalgan.  Ich grinse, überlege, ob ich was sagen soll, lasse es dann aber. Perfalgan hilft bei starken Schmerzen so gut wie Mineralwasser. Echt jetzt.

Ich werde irgendwie vorsichtig behandelt. Seltsames Gefühl. Nur die Visite ist für alle gleich früh. Morgens um 6.30 Uhr. Nix mit ausschlafen. Alle Ärzte, die um mein Bett stehen, sind übermüdet und sind bei der letzten Visite um 19.30 Uhr immer noch müde. Arme Kollegen. Sie tun mir leid. Echt jetzt.  Beim Einschleusen in den OP grinst der tätowierte Pfleger: „Guten Morgen Doc, jetzt hüpf mal hier rüber.“  Endlich mal Normalität. Wir reden kurz über Schalke. Im OP bekomme ich Dormicum. Schönes LeckmichamArschGefühl. Der Chirurg erzählt mir, dass er aus „Versehen“ einer jungen hübschen Patientin seinen Namen bei facebook verraten hat. Er bekommt sie jetzt nicht mehr los. Selbst Schuld Herr Kollege, echt jetzt.

Zurück auf der Station vermeide ich alles was dem Pflegepersonal Arbeit machen könnte. Ich darf nur in Begleitung aufstehen, mache ich natürlich nicht. Lege mich dabei fast auf den Hintern weil mein Bein noch keine Kraft hat. Mache mein Bett alleine.  Trage mein Tablett raus. Bloß nicht nerven. Echt jetzt.

Habe Angst vor MRSA. Desinfiziere mir im Minutentakt die Hände. Gebe keinem die Hand. Benutze nur meine eigenen Handtücher. Mustere mißtrauisch meine Viggoeinstichstellen. Bei der Entlassung lese ich sofort meinen Brief, netterweise haben die ihn erst gar nicht zugeklebt.

Der Hausarzt sieht mich fragend an, was er jetzt machen soll. Steht alles in dem Brief, lies doch! Manchmal möchte ich einfach nur Patient sein und von nix Ahnung haben. Echt jetzt.

11 Kommentare zu „Echt jetzt“

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