Das Ende vom Lied

Episode 1:

Heute auf der Visite, Zimmer 2.
Ein 83jähriger Patient, liegt im Bett, absolut immobil. Mir ist allerdings nicht klar wieso. Er meint, dass er vor einer Woche noch gelaufen sei. Ich gucke mir die dünnen atrophischen Beine an. Und finde das unwahrscheinlich.
Es klopft. Die 20 Jahre jüngere Ehefrau in einem bunten Sommerkleid segelt herein. Ich frage sie, wann ihr Mann zuletzt  gelaufen sei.
Sie (winkt ab): “ Ach, der ist schon seit Jahren nicht gelaufen! Hat Pflegestufe 2 seit fünf Monaten. Er geht mit dem Rollator zum Klo, maximal!“

Er (prostestiert): „Stimmt gar nicht!“
Sie: „Erzähl nix. Du bist noch nie gerne gelaufen. Sogar zum Bäcker bist du damals immer mit dem Auto gefahren. Und der war nur eine Minute entfernt. Und mussest  direkt davor parken. Du hast dich nie gerne bewegt!!

Er (wütend, bekommt einen schmalen Mund): „ Hab ja auch lange genug für Dich gearbeitet!  Wolltest ja immer weit weg in den Urlaub. War dir ja nichts gut genug!“

Die Stimmen werden lauter. Dem ist nichts hinzufügen. Ich entferne mich aus dem Zimmer.

Episode 2:

Gestern beim Italiener (der mit dem leckeren Pfirsich Prosecco).
Moni und ich sitzen draußen. Noch bestimmt zehn Tische  frei.

Es tapert ein älteres Ehepaar heran. Sie hat die  schicke Ausgeh Bluse an und trägt die guten Ohrringe. Er die Trekking Sandalen mit Klettverschluss an den ödematösen Füßen. Dazu eine graue Autofahrer Hose.

Sie möchte gerne neben dem großen Olivenbaum sitzen.

Er: „Nee, da kommt doch die Sonne rüber.“

Gut.  Die Frau steuert einen Platz neben dem Oleander an.

Er: „Nee, da sieht uns kein Kellner!“

Weiter geht das Tischroulette.

Auch der Tisch neben dem Eingang ist nicht genehm. Zu viele Gäste, die an dem Tisch vorbei laufen könnten!

Das Ende vom Lied:

Er will drinnen sitzen. Sie gibt  seufzend nach. Guckt ihn an wie saure Milch. Die guten Ohrringe hängen traurig runter.

Das Ende vom Liebeslied.