Neue Schuhe

Heute auf der Intensivstation. Ich mache ein Konsil bei einem 36jährigen kardiologischen Patienten.

Er hat beim Grillen am See plötzlich Kammerflimmern bekommen und musste reanimiert werden. Begonnen mit einen Laienreanimation, Dauer insgesamt unklar.  Im Schädel CT  hat er ein ausgedehntes Hirnödem. Prognose schlecht, zwei Kinder, verheiratet. Das ganze tragische Elend.

In Bett acht liegt der Patient. Jung, braungebrannt, komatös, beatmet. Sorgfältig ausrasierter Kinnbart. Auf dem Arm ein großes Tribal Tattoo, nicht ganz fertig gestochen, ein Teil fehlt wohl noch.

Die braunen Augen sind leicht geöffnet, allerdings keine adäquate Reaktion.

Auf Schmerzreize ebenfalls keine Reaktion, an den Beinen hat er  schon eine beginnende Spastik.

An den Füßen trägt er nagelneue schwarz-rote Adidas Sneaker. Die Ehefrau hat sie ihm mitgebracht. Die Sohlen der Schuhe sind ganz sauber, er ist noch nie damit gelaufen. Größe 47. Ein Deichmann Schild mit dem Preis klebt noch drunter. Die Füsse erscheinen im Vergleich zum übrigen Körper riesig und sind fast so lang wie das Fußbrett hoch ist.

Beim Untersuchen spüre ich hinter meinem Rücken eine Bewegung. Seine Ehefrau ist gekommen. Sie will unbedingt bei der Untersuchung  dabei sein. Und lässt sich auch nicht vom Pflegepersonal davon abhalten. Als sie sieht, dass ihr Mann auf mein grobes Kneifen nicht reagiert, weint sie fassungslos.

Dann sieht sie die Preisschilder unter den großen braunen Sohlen. Und knibbelt sie nervös bis auf letzte Fitzelchen weg.

Als ich gucke, lächelt sie unter Tränen: “ Meine Mutter hat immer gesagt,  Preisschilder unter den Sohlen bringen Unglück.“ 

Ich sage nichts, mir fällt nichts ein.

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