Kaffee

Heike ist meine Lieblingsschwester auf der Station. Gute Krankenbeobachtung, professionell und freundlich.

Komme auf die Station. Heike steht vor Zimmer 4, bestückt ihren Pflegewagen.

Daneben ist unsere Kaffeeecke. Für Patienten und Besucher.  Dort gibt es  Milch, Zucker, Kaffee und Wasserflaschen grün und weiß.  Zahlen muss man nichts dafür. Halt eine Nettigkeit.

Ich sehe aus den Augenwinkeln wie ein Mann mit blauer Fleecejacke und kariertem Hemd auf Heike zusteuert. Neben ihr stehen bleibt.

Kaffee ist leer!!“ Er zeigt auf die große schwarze Kanne in der Ecke. Kein Guten Tag, kein Entschuldigung, können Sie mir bitte sagen etc.

Heike dreht sich um. „Was wollen Sie mir damit sagen?“

Die Fleecejacke blökt weiter: „Ja, Kaffee ist leer!“

In Heike macht es Ping: Sie weist die Jacke daraufhin, dass sie hier nicht bei Tchibo arbeitet. Ob er ihr Namenschild mit examinierter Krankenschwester lesen könne? Ob er die Worte Bitte und Danke schon mal gehört hätte?

Die Jacke flieht erschreckt. Ohne Kaffee.

Irgendwie wird es immer schlimmer.

 

 

 

 

 

 

Tassos

Wir haben einen Stammgriechen.

Erste Phase: Beim ersten Besuch: Freudestrahlendes Lächeln von Tassos dem Besitzer. Ein breites Kalimeeeeraaaa meine Freunde. Man meint, er würde uns adoptieren. Ouzo, perfekt gekühlt aufs Haus. Guter Service. Schnelle Rechnung. Wir geben viel Trinkgeld. Hier gehen wir öfter hin.

Zweite Phase: Tassos wirft uns ein freundliches Guten Tag zu. Verschwindet in der Küche,  um mit den Köchen griechische Witze zu reißen. Erscheint nach 15 Minuten. Aber na ja, nett ist er ja. Kalt ist es hier, Heizung anmachen wäre nicht schlecht.

Dritte Phase: Tassos sieht uns. Läuft zum nächsten Tisch, der nach uns gekommen sind, um die Bestellung aufzunehmen. Kalimeeeeeraaaa höre ich es schallmeien.  Uns bedient ein Kellner Azubi, der nur mazedonisch spricht. Nach 15 Minuten. Der Ouzo ist warm. Ich habe ein Haar im Salat.

Vierte Phase: Tassos ignoriert uns. Die Rechnung kommt auch nach zwanzig Minuten nicht. Lasse meine Visitenkarte da.

Wir versuchen es mal beim Paulaner.

Erste Phase: Beim ersten Besuch: Freudestrahlendes Lächeln von Peter. Hallööööchen meine Freunde.

Zweite Phase: Schnell weg.

 

 

Nix Gscheit´s

Es ist Montag, 34 Grad, der Kaffeeautomat in der Cafeteria ist kaputt, es gibt nur noch Mettbrötchen. Was soll aus so einem Tag werden? Nix Gscheit´s.

Mein Assistenzwelpe ist krank, mein Kollege wieder  an Bord. Und sofort geht die kleingeistige Meckerei wieder los. Ich schwitze und schwitze, die Kittel machen es gerade nicht besser.

Übers Wochenende ist ein ganzer Bus ausgetrockneter alter Damen und Herren aus den Altenheimen gekommen.

Den Angehörigen hat die Hitze Manieren und sämtliche Umgangsformen weggeschmolzen.  Falls sie denn vorher vorhanden waren. Biestige Lehrerin Töchter aus Hannover mit Google Halbwissen wollen um 08.05 ein Gespräch über Medikamente führen. Sofort!!

Ich sehe, wie meine Assistenzärztin mit einem Sohn diskutiert. Der tätowierte chronisch arbeitsuchende Sohn mit Tagesfreizeit zwingt ihr ein Gespräch auf. Die Mutter müsse naturheilkundlich behandelt werden. Aber da würden wir ja keine Rücksicht drauf nehmen. Nebenbei Mutti ist dialysepflichtig, Mo/Mi/Fr, hat einen Schrittmacher, eine künstliche Herzklappe und kann ohne Bayer Leverkusens Polypharmazie nicht einen Tag überleben. Jedoch gut ohne Globuli.

Ich gehe auf Zimmer 7. Da liegt Herr Müllermeierschmidt, isoliert mit VRE. Das heißt vorher Isokittel, Handschuhe, Mundschutz, Haube anziehen. Bei 34 Grad. Herr Müllermeierschmidt hat Besuch.  Die Enkelin in kurzen Shorts, die Frau im luftigen Sommerkleid hocken neben und auf  dem Bett.  Komplett ohne Isolierung.

Man habe es nicht gewusst.  Ich werfe die Bagage weise sie freundlich aus dem Zimmer und zeige ihnen das mannsgroße feuerwehrrote Piktogramm,  das außen an der Tür klebt. Darunter steht zudem in 12 lebenden Sprachen in Times New Roman Größe 50 die Aufforderung, sich zu isolieren. Und der knallgrüne Isowagen vor der Tür ist irgendwie auch nicht zu übersehen.

In der Cafeteria gibt es mittags Leber Berliner Art.

Der Tag ist nur eins: Nix Gscheit´s.  🙂

 

 

 

 

 

Zu groß

Nach einem erholsamen Urlaub ist meine innere Zündschnur deutlich länger geworden. Sagt auch meine Familie. Tiefenentspannt und in mir ruhend laufe ich am ersten Tag auf meine Station ein.

Nehme mir vor, mich nicht mehr so viel aufzuregen, Psychohygiene und so.

Das klappt für die ersten zwei Stunden hervorragend.

Dann geht es zu einer Neuaufnahme. 1 Bett Privat.

Vor dem Zimmer höre ich schon erregtes Gerede.

Oha. Es hilft nix, ich muß da rein.

Und los gehts. Vor mir sitzt eine erstaunlich mobile Patientin. Und zetert.

Ich, noch in mir ruhend, stelle mich vor: „Wie geht es Ihnen?“

Patientin: „Das Zimmer ist viel zu groß!“

Das war nicht die Frage. Ich denke ja immer, ich hätte schon alles gehört, aber das ist sogar für mich neu. Zu große Zimmer. Mein Zündschnur hingegen schrumpft.

Und weiter geht’s.

  • Der Fernseher ist zu klein.
  • Ich gucke auf eine Baustelle, das kann man mir nicht zumuten.
  • Der Tisch ist zu klein.
  • Ich möchte näher am Schwesternzimmer liegen.

Der nicht minder aggressive Ehemann pflichtet ihr bei. Wenn man das gewusst hätte, wäre man nicht gekommen. Er wedelt empört mit seinem Zeigefinger.

Solche Popanze Kunden könnte ich gerne in Malawi aussetzen. In einer klitzekleinen Strohhütte. Nicht zu groß.

Reden

Meine ersten offiziellen Vorlesungen habe ich jetzt hinter mir. Der Techniker schließt die drei Türen des Hörsaals. Herzklopfen. Bittebitte lieber Techniker bleib bei mir.  Los geht´s.  Sehe 200 Köpfe vor mir. Die Mädchen mit langen glatten Haaren  (die Jungen irgendwie auch).  Erstaunliche Ruhe. War ich damals auch so?  Ich starte. In dem Moment werden zahlreiche Tabletts aufgeklappt. Ich höre ein leises Klackern der Tastatur. Viele schreiben direkt mit. Andere fotografieren die Präsentation. Ruhig, konzentriert. Erstaunlich.  Ich rede ohne Mikrophon. Ich kann meinen Kittel anlassen. Keine Schminke. T-Shirt. Als ich fertig bin, klatschen alle.  Ich schwebe auf die Station zurück.

Eine Woche später: Patientenveranstaltung. Ich muss dort einen Vortrag halten. Zusammen mit den Chirurgen und Kardiologen. Patientenveranstaltung sind Außendarstellung. Das heißt, nix mit T-Shirt anziehen. Die Männer ziehen Anzüge und Krawatte an, Lederschuhe.  Die Frauen irgendwas  Schickes. Schick kann ich nicht gut.

Also dunkelblaue  Jeans, schwarzes Oberteil mit langen Armen. Und keine hohen Schuhe, saubere  schwarze saubere sneaker müssen reichen.  Dem Fotografen ist es egal. Er meint, ich solle auf dem Gruppenfoto die Nase tiefer halten. Wie denn? Der Chirurg neben mir ist 1,95 Meter, der Kardiologe ebenso. Ich muss mit Mikro sprechen.  Ich höre mich selbst reden. Manchmal habe ich eine Stimme wie Marge Simpson. Geschafft. Danach gibt es Currywurst im Becher. Dafür würde ich 10 Vorträge halten. 🙂