Ein Bein

Ärztewitz: Was machen 3 Internisten auf einer 10 Betten Station den ganzen Tag?
Antwort:  Visite den ganzen Tag!

Internistische Chefarztvisiten sind lang und grausam.

Dienstag, Punkt 14 Uhr. Chef verspätet sich 30 Minuten. Großartig, ich wollte um 20 Uhr ins Kino.

Zimmer 1: Frau Müllermeierschmidt mit Z.n. Nierentransplantation, aktuell hier wegen Schwindel. Nierentranplantation.  Oh ha! Das kann dauern! Nephrologen sind sehr pingelig. Und richtig: Der Chef nimmt jede einzelne Pille unters Korn, wie ist der Tacrolismus Spiegel, wo ist das Cellcept hin verschwunden, wie ist die GFR? Wieso ist das Lasix reduziert? Nebenbei erzählt er noch von den neusten Studien eines Bludruckmedikaments. Wahrscheinlich an 20 hypophysektomierten Meerschweinchen getestet. Alle schwarz weiß. Die Meerschweinchen. Mein Rücken schmerzt langsam. Ich stelle mich auf ein Bein. Chef runzelt die Stirn. Nehme das Bein wieder runter.

Endlich ins Zimmer: Worst Case. Die Tochter ist da. Die will endlich mal alles gaaaaaaaanz genau wissen. Nicht, dass wir es ihr alles gestern gaaaaaaaaaanz genau erklärt haben.  Mein Rücken schmerzt, ein Bein, Chef guckt, Bein schnell wieder runter.

Meine Assistenzärztin wird nervös, verhaspelt sich. Chef zieht die Augenbrauen hoch. Lächelt ohne nett zu sein. Mein Knie tut weh.

Nächstes Zimmer:

Patient mit einer Motoneuronerkrankung, Chef kennt sich da nicht so aus. Verhakt sich wieder an den Blutdruckmedikamenten.

Weiter geht es. Die nächsten Zimmer laufen ähnlich zäh. Ich kann den Chef gerade noch davon abhalten bei einer kontrakten 95jährigen Patientin leitliniengerecht einen Cholesterinsenker anzusetzen. Ich habe Durst.

Im nächsten Zimmer erzählt eine Patientin mit grauen Krussellocken langatmig, dass sie vor einem Jahr ein Blutdrucktablette nicht vertragen habe. Eine kleine gelbe (die sind irgendwie immer klein und gelb). Lehne mich unauffällig gegen die Wand, ein Bein. Chef mustert mich mißtrauisch. Ich habe Durst. Und Hunger. Der Chef hat makellos geputzte weiße Lederschuhe. Hemd und Krawatte bei der Hitze. Haare frisch geschnitten. Ich fühle mich zauselig.

Ich merke gerade beim Schreiben, dass der Artikel genauso lang wird wie eine internistische Chefarztvisite.

Deshalb Schluß und Ende und Punkt. Muss doch noch ins Kino.

12 Kommentare zu „Ein Bein“

  1. Warum hat dein Chef etwas gegen Einbein. 🙂
    Als Patient würde mich da eher interessieren, warum er einen Cholesterinsenker noch in dem hohen Alter verabreichen will. Es kann natürlich sein, dass die Dame 120 wird, dann könnte man noch etwas verhindern.
    Oder wirkt dein Chef an verschiedenen Studien mit?

  2. …ich stehe auch manchmal auf einem Bein rum…oder heimlich Barfuß *hrhr* aber nur wenn ich alleine im Büro bin *umkipp*

  3. Dein Artikel könnte noch viel länger sein als eine Chefarztvisite. Ich amüsiere mich königlich. Äh. Ich amüsiere mich eigentlich königlich über dein Leid. Nein, ich amüsiere mich über die Beschreibung deines Leids. Ist das in Ordnung?
    Die Beschreibung der Fußnägel habe ich zum Glück erst NACH meiner Mittagspause gelesen. Herrje.
    Ich komme zu dem Schluss, dass Angehörige von Patienten die reinste Pest sind.
    Ich hätte schon längst die Pumpgun aus meiner Handtasche gezogen.
    Aber echt.
    🙂

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