Vortrag

Chef will einen Klinik Abend mit Vorträgen für die Niedergelassenen machen. Der Vortrag soll nur 20 Minuten dauern. Ganz einfach, was Schnelles. Das können Sie ja gut.

Als ich den Flyer lese, wird mir komisch im Magen. Ich bin um 17 Uhr dran. Vor mir ein Priv. Doz., nach mir eine Professorin aus dem UKM, danach mein Chef aus der Charité.  Das Ganze im neuen Hörsaal.

Ich kriege feuchte Hände, mein Magen tanzt Tango.

Um es kurz zu machen: Ich habe mich noch nie auf einen Vortrag so vorbereitet wie auf diesen. Täglich bastel ich an meinen Folien. Vor der Arbeit, in der Arbeit, nach der Arbeit. Im Schlaf. Lese im New England Journal, lese in den Leitlinien, lese, schreibe, lösche.  Finde meine Präsentation zu bunt, zu unwissenschaftlich, zu lang. Kürze sie. Ein bißchen Buntes lasse ich. Erzähle den Vortrag dreimal täglich mit Stoppuhr. Rede im Auto laut vor mich hin.

Speicher es auf zwei sticks. Habe Angst, dass open office nicht gelesen wird.  Gucke mir vorher den Hörsaal an. Hoffentlich stolpere ich nicht über die Stufen.

D Day: Kalte Hände, ich räuspere mich alle drei Sekunden. Ich bin underdressed. War ja irgendwie klar. Alle im Anzug, ich im Kittel. Aber hohe Schuhe. Die Professorin aus dem UKM gibt mir nicht die Hand. Es wird ein Gruppenfoto von allen Vortragenden gemacht. Ich in der Mitte. Der Fotograf mustert mich und sagt:  Sie haben so viel in der Kitteltasche drin, das beult aus, können Sie es bitte auräumen? Na super. Hole mein Stethoskop, meinen Reflexhammer und die Ricolas aus meiner Tasche. Die zierliche Professorin wirft mir einen spöttischen Seitenblick zu. Du mich auch.

Sitze in der ersten Reihe. Und dann geht es los. Chef kündigt mich an. Ich falle nicht die Stufen hoch. Ich muss mir das headset reinfriemeln. Meine Haare stehen ab. Der Scheinwerfer blendet mich. Ich muss hinter dem Pult stehen bleiben, darf nicht laufen. Meine Mikrofonstimme hört sich seltsam fremd an. Ich atme zu schnell. Nach zwei Minuten  gucke ich genauer ins Publikum, sehe den orthopädischen Professor hinten sitzen. Er trinkt einen Kaffee. Ich werde ruhiger. Bin  sieben Minuten zu früh fertig. Alle klatschen, eine kurze Frage vom Chef. Ich bin durch. Schwebe von der Bühne. Ohne zu fallen. Dauergrinsen.

In der Pause schlägt der orthopädische Professor mir auf die Schulter. Gut gemacht.

Ach ja, die UKM Professorin verheddert ebenfalls ihr headset. Und ihre Haare stehen ab.

🙂

 

12 Kommentare zu „Vortrag“

  1. Ich habe faszinierende Menschen bestaunt, die vollkommen grammatikfrei Deutsch sprechen können“ den muss ich mir merken!

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