Heute auf der Visite:
Zimmer 2: Herr B., freundlich lächelnd, siebzig Jahre alt, kommt zur Demenzabklärung. Schon seine mit zahlreichen Äderchen durchzogene rötlich blau schimmernde Nase und seine Liebe zu hochprozentigem Alkohol lässt mich auf eine Korsakow Demenz tippen. Neben ihm seine etwas ängstliche Ehefrau.
Daneben pumpt sich schon die latent aggressiv Tochter auf. “ Ich arbeite ja auch im Krankenhaus, ichkennmichaus“ (wahrscheinlich putzt sie im Labor…).
Ich frage mich, wieso die 45 jährige so viel Tagesfreizeit hat seit drei Tagen vormittags im Krankenhaus hocken.
In der Hand der Tochter mehrere eng beschriebene Zettel, sorgfältig in einer Plastikhülle. Ich ahne Schlimmes.
Und richtig, es kommt die ganz grosse Nummer:
Sämtliche Symptome, die der Vater seit 10 Jahren hat, angefangen vom Schwindel beim Aufstehen, Nackenschmerzen, zitternden Knien, Verstopfung, Durchfall, komischer Haut, zittrigen Händen und Gedächtnisstörungen sind hier penibel aufgeführt.
Und jetzt *Trommelwirbelundtusch*: Die von der Tochter gegoogelte Diagnose lautet nicht, wie wir vermuten, auf Säuferdemenz sondern: Testosteronmangel!
Absoluter Dummfug denke ich, Testosteronmangel macht keine Demenz. Aber es steht mir wohl auch auf der Stirn geschrieben, denn da legt die Google Tochter auch schon los: „Schulmediziner, alle keine Ahnung. Wir laufen von Arzt zu Arzt und keiner nimmt uns Ernst…
Die Google Tochter rückt mir immer mehr auf die Pelle. Ich versuche auszuweichen. Keine Chance, hinter mir ist der Schrank.
Ich versuche zu flüchten. Es klappt nicht. Ich ergebe mich in den nächsten Wortschwall von Wikipediahalbwissen, der beginnt mit den Worten: „Und auf Vitamin H haben Sie wohl auch nicht getestet…“
Ich schließe die Augen. Verfluche Larry Page. Versuche mich in ein angehörigenfreies Paralleluniversum zu beamen. Es gelingt nicht. 😉
A little learning is a dangerous thing…
«The trouble with gaining information from the internet is, one can never be sure it’s accurate.» So said Albert Einstein when I googled him… 🙂
Und – Testesteron und Vitamin H testen, Putztest der Tochter durchführen, wenn der Patient sich alles gemerkt hat, dann … bracht er vermutlich noch was zu trinken! Mutti bekommt eine Massage und eine Wärmflasche. Ist doch alles ganz easy, oder? 😉
Hehe, ja, gute Idee 😉