Cheffe!

In einem Ärztearbeitsleben laufen einem verschiedene Cheftypen über den häufig steinigen Weg:

1. Dynamo: Jung, dynamisch, mit 39 Jahren Chefarzt geworden. Glatte, stets frisch geschnittene Haare. Nettes Lächeln, das sich in den weiteren Jahren immer weniger zeigt. Begeistert alle schafslockigen Privatpatientinnen und deren mittelaltrige alleinlebende Töchter. Schwiegersohntraum.  Ist aber schon seit 10 Jahren mit seiner Sandkastenliebe verheiratet, zwei Söhne. Fährt einen alten rostigen Golf. Nach 5 Jahren aber schon einen silbrigen Passat und ist Mitglied im Golfclub und bei den Rotariern.

2. Löwe:  62 Jahre, graue Haare, halbe Brille, gebeugtes , schlurfendes  Gangbild. Vorsicht: Unterschätzt ihn nicht. Niemals.  Er kennt alle Varianten, er hat alle Schlachten geschlagen, Menschen, Verwaltung und deren abstruses Verhalten  sind ihm nicht mehr fremd. Weise und desillusioniert. Freut sich auf die Rente. Hat Angst, dass sein Lebenswerk in schlechte Hände kommt.

3. Königsmörder: Ja, ich muß es zugeben: Häufig weibliches Geschlecht. Schlank. Hebelt den ehemaligen Chef aus, um sich an seine Stelle zu setzen. Diverse Autos, Porsche mit Tempo  50 auf der Autobahn,  rosa Angorapullover, komische Schuhe. Vegetarisch. Guckt in der Cafeteria mit Abscheu auf mein morgendliches Vollkornputenbrötchen. Und beißt dann in ein kleines Stück Knäckebrot. Dünn mit Marmelade bestrichen. Mahlzeit!

4. Heißdüse: Häufig aus den schneidenden Fächern. Unfallchirurgie oder Bauchchirurgie.  Schmettert mir früh morgens gut gelaunt ein 110 Dezibel „Moin moin Frau Doktor!“ entgegen. Gut geputzte blanke Schuhe. Sein Parfüm legt sich wie ein wabernder  Schleier über den Krankenhausflur. Er ist laut, teils auch herrisch. Es geht das Gerücht, dass er Desinfektionsspender von der Wand abgerissen hat. Früher. In seinen jungen, wilden  Jahren. Jetzt ist er ruhiger geworden, was ihn aber nicht davon abhält, junge,  kleine Assistentinnen mit komplizierten medizinischen Fragen zu erschrecken. Liebt den großen Auftritt auf der Chefarztvisite. Seiner Visite! Er ist der König in seinem Reich.

5. Möwe: Die Möwe kreist über allen Mitarbeitern, um  ihnen bei Bedarf auf den Kopf zu scheißen.  Kontrolle ist ihr wichtig. Paranoid. Schleicht abends über die  Krankenhausflure und durchwühlt Kurven, um Fehler zu finden. Liebt QM. Und Struktur. Und Protokolle. Und Projekte, die spätestens nach einem Monat fallengelassen werden.  Sie ist unangenehm, ungnädig und zerrt alle  Fehler ans Licht. Leider übersieht sie dabei ihre  eigenen. Sie selbst hat an nichts Schuld. Niemals! Entschuldigung und Guten Morgen sind Fremdworte.

6. Märchenonkel:  Erzählt viel und gerne. Übersieht leider, dass es schon mal Arbeit gibt. Lädt seine Mitarbeiter ein zum opulenten  Weihnachtsessen.  Guckt auch schon mal gerne der hübschen Praktikantin hinterher. Aber mehr nicht. Seine Ehe soll nicht  gut laufen, munkelt man. Ihm selbst ist es egal, was erzählt wird. Er hat schon lange ein Verhältnis mit seiner Sekretärin. Auf den Visiten erzählt er die neusten Witze. Trinkt den Krankenschwestern stets den frisch gekochten Kaffee weg. Die kennen das schon. Hat Angst, dass er irgendwann mal als Patient auf seiner eigenen Station liegen muß.

7. Gigolo: Gott sei Dank sehr selten anzutreffen. Groß, schlank, arrogant. Assistenten werden nach dem Aussehen eingestellt. Stets blond, lange Haare und zierlich.  Man nennt sie auch hinter vorgehaltener Hand „das kardiologische Harem“. Falls man seinen Ansprüchen nicht entspricht, hat man nichts zu lachen und wird auf dem Flur verächtlich gemustert. Grüßen, nein, macht er aus Prinzip nicht. Wozu?  Seine dritte Frau kommt zwischendurch vom Shoppen ins Sekretariat und verlangt nach Kaffee. Sofort. Die pummelige Sekretärin rollt dann  innerlich mit den Augen und denkt, dass sie nur noch fünf Jahre bis zur Rente hat.

Natürlich sind Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Chefs nicht beabsichtigt. Es ist alles frei erfunden. Oder nicht?

6 Kommentare zu „Cheffe!“

  1. *hust* Alles frei erfunden! *röchel* Selbstverständlich!
    Erhärtet einmal mehr meine Theorie, dass wir unterm gleichen Dach arbeiten müssen 😉

    Warum zeigt mein Kopfkino gerade Porträts meiner Ober-, Über-, Megaüber- und Chefärzte? Komisch! Und bei manchen Assistenzärzten ist die Richtung, in die es geht, oft schon SO klar … *grusel*

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